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AutorenbildEsther Schweizer

Sagen Sie, was Sie meinen?

Aktualisiert: 7. Dez. 2021




Guten Morgen, liebe Sorgen – seid Ihr auch schon alle da?


Liebe Leserin, liebe Leser,


sagt (oder singt) Ihnen die erwähnte Liedtextzeile von Jürgen von der Lippe auch noch etwas? Mich begleitet er als Ohrwurm manchmal den ganzen Morgen – und dient mir heute als willkommener Stichwortgeber. Denn ich sorge mich gerade in letzter Zeit um die damit verbundene Grußformel. Wir sagen uns etliche Male am Tag „Guten Morgen“ oder „Guten Tag“. Aber wie oft kommt dieser Gruß wirklich von Herzen, resultiert aus ehrlichem Interesse – und wann verkommt er zur gedankenlosen Floskel oder rhetorischer Geste?

Was dominiert? „Guten“ oder „Morgen“?

Fast jeden Morgen jogge ich eine kleine Runde durch die nahe gelegene Parkanlage. Ich treffe freundliche Hundebesitzer_innen, andere Läufer_innen – oder Menschen, die einfach nur zu Fuß von „A nach B“ unterwegs sind. Es wird sich zum Gruß entweder angelächelt, Kopf nickend ein Gruß angedeutet oder – was ich meist mit Blickkontakt tue – ein „Guten Morgen“ hörbar ausgesprochen (Ja, das funktioniert auch beim Joggen – jedenfalls bei mir). Ist der entgegenkommende Mensch nicht allzu sehr mit sich selbst beschäftigt – weil aktiver Ohrstöpsel-Träger_in oder angesichts sportlicher Überambition vollkommen außer Atem – wird mein Gruß mehr oder weniger aufmerksam erwidert.


Wobei die Betonung dann meist auf dem „Morgen“ oder dem „Tag“ liegt. Das Adjektiv „guten“ geht hingegen gerne unter. Liegt es an dem hiesigen norddeutschen Naturell? Dass wir uns hier im Norden (Nee, das „Moin“ hat in diesem Kontext mal keine Aktien) eher ein schwach klingendes Adjektiv und dafür ein lang gezogenes Substantiv „Moorgen (mit fast verschlucktem 'r')“ oder „Tach“ wünschen?


Wann“ statt „Wie“


Liegt die hauptsächliche Betonung, unabhängig von der gesprochenen Mundart, auf dem Substantiv (z.B. Morgen), klingt es in meinem Ohren eher nach der Zeitform. Dem „Morgen“, der mir in der Zukunft noch bevorsteht. („Zukunft“ lt. Duden: Zeit, die noch nicht da ist; die erst kommende oder künftige Zeit – und das in ihr zu Erwartende). Also auf ein zukünftiges Geschehen (Morgen – nicht heute).

Zugegeben: ich bin da gerne etwas speziell in meinem Hörempfinden, jedoch auch immer ein wenig irritiert, wenn ich mich gerade bewusst im „Hier und Jetzt“ bewege – und mir dann ein tendenzielles zukünftiges „Morgen“ entgegenschallt. Doch will ich mal nicht so pingelig sein. Meist überwiegt bei mir die Freude, dass sich überhaupt noch ge- und begrüßt wird.


Heute ist ein guter Tag, um einen guten Tag zu haben

Apropos Gruß – finden Sie doch kurz selbst heraus, welche Betonung Ihnen mehr liegt: Sprechen Sie gedanklich oder hörbar „Guten Morgen“, „Guten Tag“ oder „Guten Abend“ aus. Liegt Ihr tonaler Schwerpunkt auf dem ersten oder dem zweiten Wort? Sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge ein morgendliches, abendliches oder mittägliches Bild – und verbinden Sie ein positives Gefühl mit „Guten“? Und wie sieht es mit „Hallo“ und „Ciao“ aus?


Nun möchte ich Ihnen auch – wirklich, aus tiefsten und reinem Herzen – einen guten Tag wünschen. Im positivsten Sinne. Ehrlich erfreut – und nicht einfach daher gesagt. Denn: Nie im Leben käme ich auf die Idee, Ihnen einen unguten Tag zu wünschen.

Erst denken, dann reden?


Die Beschäftigung mit der alltäglichen Grußformel war mir nicht nur ein echtes Anliegen – sondern eignet sich auch hervorragend als „Aufwärm-Training“ für allgemeinere Gedanken:


„Erst denken, dann reden!“ In einem Artikel vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik habe ich Erstaunliches über unsere Sprechplanung sowie unserem Sprech- und Denkverhalten gefunden. Es geht um die Frage „Wie weit denken Sprecher_innen voraus?“

Zitat*: „Man weiß nämlich schon seit langem, dass sich Sprecher nur selten vorab genau überlegen, was sie sagen wollen. Stattdessen planen sie meistens nur den Anfang einer Äußerung, beginnen zu reden und planen weiter, während sie den Satzanfang aussprechen. Dies funktioniert, weil die Sprechplanung, also die Auswahl der richtigen Wörter und ihre Anordnung im Satz, schneller ausgeführt wird als die Aussprache selbst (….)“.


Denken und Reden sind dasselbe. Nur dass das innere Gespräch der Seele mit sich selbst, was ohne Stimme vor sich geht, Denken genannt wird.“ Dieses Zitat wird dem antiken griechischem Philosoph Platon – einem Schüler des Sokrates – zugeschrieben.


Sagen Sie, was Sie meinen? Meinen Sie, was Sie sagen?


Das erwähnte Zitat* aus dem Max-Planck-Institut für Psycholinguistik erleben Sie und ich im persönlichen Umfeld, im Alltags- und Berufsleben bestimmt häufiger.


Probieren Sie es in Ihrer nächsten Vorstellungsrunde – egal ob analog oder digital – doch direkt aus. Unter dem Motto: „Sagen Sie, was Sie meinen und bringen Sie sich sprachlich zum Klingen! “. Das fängt im Denken an und äußert sich im Sprechen: Wie ist der Tag? Der Tag ist gut.

Meine Bitte! Denken Sie positiv. Im Sinne von „etwas ist gut“. Nicht das Gegenteil. Das gilt für Tageszeiten wie für Veranstaltungen. Denken Sie: „es ist Tag“. „Guten Tag!“ und nicht „Gute Nacht“. Beide Tageszeiten haben den Vokal „A“ in der Mitte – der den Mund öffnet.

Sagen, was man meint – ja, auch ich tue es und bringen damit meine Familienmitglieder regelmäßig an den „Rand des Wahnsinns“. Umso wichtiger ist es, sich u.a. auf einen Elevator Pitch, Präsentation oder Rede mit einer guten Sprech- und Denkhaltung vorzubereiten. Insbesondere, wenn es sich um komplexe Sachverhalte und Inhalte handelt, die erklärungsbedürftig sind – und erst durch die Art und Weise ihrer Formulierungen das „Kopfkino“ zum Laufen bringen. Nicht nur aus rhetorischen Gründen ergeben daher u.a. auch gut platzierte rhetorische Stilmittel (Adjektive, Verben, Metaphern, etc.) Sinn. Das gilt ganz besonders für die Aufzählung von „trockenen“ Zahlen, „nüchternen“ Daten und „missliebigen“ Fakten.

Nicht über-perfekt – aber sprachlich präzise zu sein, bedeutet eben auch, präzise zu denken. Das braucht ein wenig Übung. Ebenso zu Beginn eine Portion Mut und Tatenfreude, sich beim Sprechen zuzuhören.


Wenn Sie diesbezüglich ein wenig unsicher sind – wissen Sie ja, wo Sie Tipps finden

– und wie Sie mich persönlich erreichen.

Jetzt bin ich wirklich gespannt wie ein Flitzebogen, wie Sie auf die eingangs gestellte Frage „Ist der Gruß eher eine gedankenlose Floskel oder eine rhetorische Geste?“ antworten.

Ihre

Esther Schweizer


P.S. Quellenangaben und Verlinkung. Ich übernehme keine Gewähr für die Aktualität und Richtigkeit. Abgerufen und gesehen Juni 2021.


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